Die Autoren Torsten Oltmanns und Daniel Nemeyer verstehen ihr Buch „Machtfrage Change“ als Provokation, da sie Macht in Unternehmen nicht als grundsätzlich negativ betrachten. Macht hat in wirtschaftswissenschaftlichen Diskussionen einen schlechten Ruf. Die Autoren sind der Ansicht, dass Machtspiele der Grund für das Scheitern von über der Hälfte der Change-Projekte seien und daher eine Diskussion über Macht in den Wirtschaftswissenschaften überfällig sei. Als einleitendes Beispiel wird der ehemalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann angeführt, der trotz großer Erfolge mit der Nationalelf schließlich beim FC Bayern München als Trainer gescheitert ist. Als Grund gab er in einem Interview an, dass er nicht „das Gewicht und die Unabhängigkeit wie beim DFB“ hatte.
Zunächst beschreiben die Autoren, was Change Management bedeutet. Nach ihrer Definition ist Change Management eine Anpassung der Aufbau- und Ablauforganisation an gravierende Veränderungen (ein so genannter „Change zweiter Ordnung“), die durch sprunghafte Veränderungen der Umwelt oder der Zielsetzungen erfolgen. Danach werden anhand der Beispiele Unilever und der Bundeswehr Change Management-Projekte analysiert, die gescheitert sind. Als Grund für das Scheitern identifizieren die Autoren die Interessenkonflikte der Führungskräfte untereinander.
Die Methoden des Change Managements zielen durch ihren humanpsychologischen Ansatz darauf ab, in vertikalen Konflikten zwischen Führung und Belegschaft einen Interessensausgleich herbeizuführen und alle Beteiligten auf die Ziele des Projektes einzuschwören. Diese Konflikte nehmen nach Ansicht der Autoren jedoch ab. Dagegen gibt es immer häufiger horizontale Konflikte in der Führungsriege, die Veränderungsprojekte zum Scheitern bringen. Die Wirtschaftswissenschaften beschäftigten sich nach Ansicht der Autoren jedoch nur unzureichend mit dem Thema Macht – weder mikro- noch makroökonomisch.
Die Macht-Interessen bestimmen entscheidend das Informations- und Kommunikationsverhalten der Führungskräfte. Auf dieser Basis entwickeln die Autoren ein konstruktivistisches Führungsverständnis, in dem Führungskräfte Informationen interpretieren und zu einem Weltbild formen, das sie anschließend in der Organisation kommunizieren und verankern („Framing“), um der Organisation eine verbindliche Orientierung und einen Sinn zu geben. Daraus leitet sich dann auch ihre Definition von Macht ab: „die Fähigkeit, das eigene Weltbild und dessen Implikationen als verbindlich in einer Organisation durchzusetzen und gleichzeitig andere Weltbilder ins Abseits zu stellen und damit deren Implikationen zu bekämpfen“ (S. 179). Darauf aufbauend wird das Change Management um Methoden erweitert, die im Wesentlichen das Risiko von Konflikten unter den Führungskräften antizipieren.
Dem Buch „Machtfrage Change“ kommt der Verdienst zu, den Einfluss von Macht in der Führungsriege von Unternehmen endlich einmal zu thematisieren. Die Autoren argumentieren, dass ein bewusster Umgang mit Macht zum Nutzen des Unternehmens sei. Dies trifft natürlich nur bedingt zu: So haben Führungskräfte, die nur an ihrem eigenen Vorankommen interessiert sind, oft ein hohes Machtbewusstsein und setzen es entsprechend ein. Ein bewusster Umgang mit Macht führt also nicht per se zu einem Nutzen für das Unternehmen, sondern nur dann, wenn er von Führungskräften eingesetzt wird, die sich den Nutzen des Unternehmens auf die Fahne geschrieben haben.
Aber solchen Führungskräften gibt das Buch viele wichtige Einblicke, um die Erfolgswahrscheinlichkeit ihrer Veränderungsprojekte zu erhöhen – auch wenn aufgrund der thematischen Breite des Buches einige Aspekte nur angerissen werden (können), z.B. die Beschreibung des radikalen Konstruktivismus. Auch sind die Methoden noch recht vage und bedienen sich im Wesentlichen aus dem Risikomanagement und der SWOT-Analyse. Aber viel mehr kann man von einem ersten Buch vielleicht auch nicht erwarten. Es bleibt zu hoffen, dass sich weitere Bücher mit dem Thema Macht im Unternehmen beschäftigen und es weiter vertiefen.
Weitere Informationen über das Buch gibt es unter www.machtfragechange.de.
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