Brainstorming ist seit seiner „Erfindung“ durch den Werbefachmann Axel F. Osborn in den 40er Jahren zu einer Mode-Methode geworden. Wenn man eine repräsentative Umfrage unter deutschen Unternehmen durchführen würde, welche Kreativitätstechniken am häufigsten eingesetzt werden, dann würde zweifelsohne das Brainstorming mit Abstand an Nummer eins stehen. Dabei haben bereits seit der 50er Jahren immer wieder Forscher herausgefunden, dass beim Brainstorming weniger Ideen und weniger kreative Ideen erzeugt werden, als wenn jeder Teilnehmer einzeln Ideen generiert. Brainstorming wirkt also geradezu kreativitätshemmend.
Gründe für das Versagen des Brainstormings gibt es so einige: Sei es, dass in der Gruppe die Verantwortung für das Ergebnis verwässert wird und sich der einzelne nicht mehr so sehr anstrengt. Oder dass man sich gemäß Bystander-Effekt in Gruppen zunächst einmal zurückhält und schaut, was die anderen machen. Oder dass beim Brainstorming zunächst nur in Richtung des gedanklichen Trägheitsvektors gedacht wird und daher nur mäßig kreative Lösungen entstehen.
Trotzdem wurde und wird das Brainstorming immer wieder gerne angewendet. Dies liegt vermutlich daran, dass die Begründung für diese Methode intuitiv einleuchtet: Wenn man eine Gruppe heller Köpfe in einen Raum sperrt und sie eine Zeit lang ohne Kritik wirre Ideen ersinnen lässt, dann befruchten sie sich gegenseitig. Sie generieren Tonnen von Ideen, spinnen die Ideen der anderen weiter und am Ende steht eine großartige neue Idee, die auf kreative Art und Weise das Problem löst. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
Leider führt die Intuition einen ab und an in die Irre. Trotzdem könnte man argumentieren, dass das Brainstorming einen positiven Effekt hat, weniger um Ideen zu generieren, als vielmehr um Ideen auszutauschen und weiterzuspinnen. Vollends ad absurdum kann man diese Kreativitätstechnik allerdings führen, wenn man die Spielregeln des Brainstormings missachtet. Ich habe dies in der „Anleitung zum Uninnovativsein“ als „Pseudo-Brainstorming“ bezeichnet und an folgendem Beispiel erläutert, das sich tatsächlich so zugetragen hat:
Bei einem Unternehmen der Elektroindustrie wurde von einem Berater ein Workshop über Kreativitätstechniken durchgeführt. Ein Teil des Workshops war die Durchführung einer Brainstorming-Sitzung für den Motor einer neuen Waschmaschine. Zunächst erklärte der Berater den Mitarbeitern die Regeln der Brainstorming-Methode. Vor allem betonte er die Regel, dass keine Kritik während der Phase der Ideengenerierung geäußert werden darf, egal wie abwegig die geäußerten Ideen auch seien. Die Mitarbeiter erklärten sich mit allen Regeln einverstanden. Sie wurden sogar ein wenig ungeduldig, da ihnen die Regeln für das Brainstorming alle schon längst geläufig waren. Nach dem Start der Brainstorming-Sitzung kamen zunächst nur die „üblichen Verdächtigen“ an Ideen: Gleichstrommotor, Wechselstrommotor usw. Um die Mitarbeiter ein wenig anzuregen warf der Berater „Verbrennungsmotor“ in die Runde. Sofort brach ein Schwall an Kritik und Beschimpfungen über ihn herein: „Das ist doch absurd.“ und „So etwas können wir nicht aufschreiben. Da machen wir uns doch vor der Geschäftsführung lächerlich.“ Damit wurde sein Beitrag gestrichen, und der Rest der Brainstorming-Sitzung verlief recht harmonisch.
P.S.: Wenn Sie daran interessiert sind, Kreativitätstechniken kennenzulernen, deren Potenzial deutlich über das des Brainstormings hinausgeht, dann empfehle ich Ihnen die Bücher von Dr. Dietmar Zobel - Erfinder mit über 46 Patenten, TRIZ-Experte und Kurator von DABEI e.V.: "TRIZ für alle", "Erfindungsmuster", "Systematisches Erfinden" und "Kreatives Arbeiten" (erschienen im Expert-Verlag Renningen). Weitere Informationen finden Sie unter www.dietmar-zobel.de.
P.P.S.: Newsweek reiht sich nun auch ein in die Reihe der Brainstorming-Kritiker mit dem Artikel "Forget Brainstorming": http://www.newsweek.com/2010/07/12/forget-brainstorming.html
Den Tipp, "Seien Sie doch einmal kreativ!" zu seinen Mitarbeitern zu sagen, um ihre Kreativität abzuwürgen, gebe ich übrigens auch in meinem Buch "Anleitung zum Uninnovativsein". Hat sich anscheinend schon bis in die USA herumgesprochen...
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