Ich habe an anderer Stelle bereits über die Unterschiede zwischen dem Unternehmer-Typ nach Schumpeter und dem Manager-Typ nach Zaleznik geschrieben und mich dort im Wesentlichen auf das unterschiedliche Verhältnis von Harmonie zu Streit fokussiert (siehe „Pick A Fight – Mit Streitlust zur Innovation“ in agora42, Heft 02/2010). Diesmal möchte ich auf einen anderen Unterschied hinaus und zwar den Unterschied im Antrieb der beiden Typen.
Über den Unternehmer hat Joseph Schumpeter bekanntlich in seiner „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ geschrieben: „Unser Mann der Tat folgt nicht einfach gegebener oder unmittelbar zu erwartender Nachfrage. Er nötigt seine Produkte dem Markte auf. Das ist ein jedem Geschäftsmanne vertrauter Vorgang. Wenn ein neues Produkt auf einem Markte eingeführt werden soll, so gilt es, die Leute zu seinem Gebrauche zu überreden, unter Umständen sogar zu zwingen.“
Dagegen schreibt Abraham Zaleznik in seinem Harvard Business Review-Artikel „Manager oder Führungspersönlichkeit – wer macht es besser?“ über den Manager, dass seine Initiative eine Reaktion auf Reize von außen sei: „Manager stehen Zielen in der Regel distanziert bis passiv gegenüber. Die Ziele eines Managers ergeben sich aus den Notwendigkeiten, nicht aus Wünschen.“
Als Beispiel für einen Manager-Typen zitiert er Frederic G. Donner, Chairman und Konzernchef von General Motors zwischen 1958 und 1967, mit den Worten: „Um den Herausforderungen des Marktes gerecht zu werden, müssen wir früh genug erkennen, wie sich die Bedürfnisse und Wünsche unserer Kunden ändern, damit wir die richtigen Produkte zur richtigen Zeit am richtigen Ort und in der richtigen Menge anbieten können. […] Wir müssen nicht Autos entwerfen, die wir gern bauen würden, sondern solche, die unsere Kunden kaufen möchten.“
Daraus ergeben sich für mich fundamentale Unterschiede für den Antrieb der beiden Typen: Der Unternehmer agiert mit Leidenschaft, um Kundenwünsche zu wecken; der Manager reagiert mit Kalkül, um Kundenwünsche zu erfüllen. Der Unternehmer entwickelt eine Vision aus sich heraus und versucht das umzusetzen, was möglich ist (Motto: „The sky is the limit.“); der Manager entwickelt eine Strategie aus den von außen kommenden Daten und tut das, was nötig ist (Motto: „Experts have done my thinking for me.“). Der Unternehmer ist leistungsorientiert, der Manager erfolgsorientiert.
Aus diesen unterschiedlichen Antrieben wird klar, dass echte Innovationen nur vom Unternehmer-Typ ausgehen können. Der Manager-Typ ist viel zu stark im Status quo verankert. Dies erklärt u.a. auch den Erfolg des Unternehmens Apple, deren Gründer Steve Jobs gerne den kanadischen Eishockey-Spieler Wayne Gretzky zitiert: „Ich skate dorthin, wo der Puck sein wird, nicht dorthin, wo er ist.“ So ist in der Studie „Corporate Creativity“ ein Vertreter von Apple mit folgendem provokantem Ausspruch vertreten: "Kunden wissen nicht, was sie wollen. Wir müssen ihnen sagen, was sie kaufen müssen."
Ähnlich äußert sich auch James Dyson, Erfinder des Staubsaugers ohne Beutel und des Ventilators ohne Flügel, in einem Spiegel-Online-Interview: "Das zu entwerfen, was Menschen wollen, ist nicht der beste Ansatz. Man muss etwas entwickeln, was Menschen wollen werden oder wollen sollten. Das klingt arrogant, aber das ist der Job eines Entwicklers. Kunden wissen nicht unbedingt, was sie wirklich wollen."
Die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Einstellungen zeigen sich meines Erachtens auf fatale Art und Weise im Unternehmensergebnis: Der Unternehmer optimiert durch seine Vorwärtsstrategie die Unternehmensleistung und darüber den langfristigen Unternehmenserfolg. Der Manager optimiert – im besten Fall – den kurzfristigen Unternehmenserfolg und damit seinen persönlichen Erfolg. Im schlimmsten Fall optimiert er seinen persönlichen Erfolg direkt und ohne Umwege.
Bei der persönlichen Ausrichtung sollte man sich auch eher am Unternehmer-Typ als am Manager-Typ orientieren. So sieht es zumindest die Berufsberaterin Uta Glaubitz im Interview mit der Schriftstellerin und Moderatorin Thea Dorn im Buch „Die neue F-Klasse“. Die Menschen kämen selten mit klaren Vorstellungen in ihre Seminare, sondern meist mit „Einflüsterungen“ von Freunden und Familie. Daher sagt sie: „Mein Ziel ist es, die Leute von dieser Sichtweise wegzubringen. Ich will aus ihnen herauskitzeln, wo ihre wirklichen Ambitionen, Leidenschaften liegen, für welche Dinge im Leben sie sich am meisten begeistern und engagieren – jenseits der Bedürfnisse, die der Arbeitsmarkt angeblich gerade hat.“
Vorsicht ist natürlich auch bei diesem Ansatz geboten und zwar in zweierlei Hinsicht:
- Ein befreundeter Beraterkollege hat mir vor kurzem bei einer Diskussion zu diesem Thema gesagt: „Wenn man der beste Teebeutelausquetscher ist, hat man auch nichts davon.“ Das ist prinzipiell richtig. Natürlich muss man sich, wenn man seine Ambitionen und Leidenschaften kennt, genau fragen, welche der Leidenschaften in einen Kundennutzen übersetzt werden können. Aber das ist der zweite Schritt, nicht der erste.
- Zum anderen besteht beim Unternehmer-Typ – aber auch beim Erfinder -Typ – die nicht unerhebliche Gefahr, dass er sich mit seiner Leidenschaft bei einem ihm lieb gewonnenen Thema verrennt, wie ich es am Beispiel Edison versus Westinghouse/Tesla bzw. Gleichstrom versus Wechselstrom in meinem Buch „Anleitung zum Uninnovativsein“ beschrieben habe. Man sollte daher nicht alles auf eine Karte setzen und nicht zu verbissen agieren, sondern flexibel bleiben. Denn die Folgen können durchaus verheerend sein. Aus meiner Erfahrung als Vorstand von DABEI führt der Misserfolg bei Erfindern, die alles auf eine Karte gesetzt haben und damit nicht erfolgreich waren, zu menschlichen Tragödien und Verbitterung im Alter.
Dennoch sprechen zwei wesentliche Argumente für die Sichtweise des Unternehmer-Typen:
- Wenn man Erfolg hat, dann läuft das weitere Leben nach dem Motto: „Wer sein Hobby zum Beruf macht, der braucht nie zu arbeiten.“
- Wenn man keinen Erfolg hat, dann hat es wenigstens Spaß gemacht.
So hält man es wohl am besten mit dem französischen Schriftsteller Gustave Flaubert, der gesagt haben soll: „Der Erfolg ist eine Folge-Erscheinung. Niemals darf er zum Ziel werden.“
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Falk Eiling (Donnerstag, 16 Dezember 2010 15:56)
Sehr schöner Vergleich und absolut nachvollziehbare Schlußfolgerung.
Aber ist man nicht trotzdem geneigt auch innovative Ideen per Akzeptanztest zu überprüfen, bevor man sie einfach auf den "Markt wirft"? Thema: Floprate
Carsten Deckert (Donnerstag, 16 Dezember 2010 16:11)
Sie haben vollkommen recht, Herr Eiling. Aber das schließt sich meiner Ansicht nach auch nicht aus.
Ähnlich wie man sich mit der Leidenschaft "Teebeutelausquetscher" fragen muss, ob das jemand braucht, kann man mit dem neuen Produkt "Staubsauger ohne Beutel" als Prototyp an potenzielle Kunden herantreten, um die Akzeptanz zu testen und die Benutzbarkeit zu verbessern. Aber eben in dieser Reihenfolge und nicht umgekehrt, also nicht zuerst fragen "Was braucht ihr denn?" und das dann entwickeln.
Alexander Plitsch (Freitag, 17 Dezember 2010 12:49)
Interessanter Vergleich - der Argumentation kann ich mich anschließen.
Akzeptanz-Tests, Marktstudien, Befragungen etc. mögen nachvollziehbare Mittel sein, doch sie führen nur zu vermeintlicher Sicherheit. Trotz hoher Floprate sprechen die Statistiken eine klare Sprache: Radikale Innovationen haben einen großen Anteil am Gewinn erfolgreicher Unternehmen. Das Risiko lohnt sich - oder um ein Zitat aus dem Beitrag weiterzuspinnen: "Even the sky is no limit!" Dazu ein Blogeintrag: http://www.nufari-blog.de/das-neue-muss-irritieren