Buchrezension - Europa führt!

Prof. Dr. Burkhard Schwenker, Chairman von Roland Berger Strategy Consultants, bricht in seinem Buch „Europa führt! – Plädoyer für ein erfolgreiches Managementmodell“ eine Lanze für das Management nach europäischer Art und für Europa als Lebens- und Wirtschaftsraum. Dazu charakterisiert er das europäische Managementmodell als Handwerkerkultur, wogegen er das amerikanische Managementmodell als Händlerkultur bezeichnet.

Die Handwerkerkultur des europäischen Managementmodells zeichnet sich dadurch aus,

  • dass sie bestrebt ist, etwas Bleibendes zu schaffen,
  • dass sie verstärkt auf langfristige Differenzierung setzt,
  • dass sie die Vielfalt in Europa für Kreativität und Innovation nutzt,
  • dass sie von Dezentralität und Kooperation bestimmt ist und
  • dass sie neben den harten Fakten die weichen Aspekte der Führung wie Werte, Verantwortung und Integrität nicht vernachlässigt.

Das amerikanische Managementmodell, also die Händlerkultur, dagegen zeichnet sich aus durch

  • eine starke Ausrichtung auf kurzfristigen Profit,
  • eine Fixierung auf die Kapitalmärkte,
  • eine übertriebene Zahlengläubigkeit,
  • einen missverstandenen Shareholder Value-Ansatz,
  • die systematische Unterschätzung von Komplexität und
  • eine „Leadership-Fiktion“, die Individualität vor Kooperation stellt.

 

Prof. Schwenker sieht das amerikanische Managementmodell nach der Finanz- und Wirtschaftskrise als gescheitert an. Als Alternative bietet sich da natürlich das europäische Modell an, das zwar aus dem amerikanischen Managementdenken hervorgegangen ist, sich aber dann aufgrund der kulturellen Unterschiede in eine eigene Richtung entwickelt hat. Dieses sollte nun von den Europäern selbstbewusster vorgetragen und weiterentwickelt werden. Zur Weiterentwicklung beschreibt Prof. Schwenker „Leitplanken“, die einen neuen Umgang mit Strategie, Struktur, Kapitalmärkten (insbes. Shareholder Value), Werten und Bildung erfordern.

 

Im letzten Kapitel gibt Prof. Schwenker abschließend eine Perspektive des politischen Europas. Dazu schreibt er zunächst ein Plädoyer für die europäische Konsenspolitik, die zwar etwas schwerfällig daherkommt und dem Bürger nur schwer vermittelbar ist, dafür aber nicht die Gefahr birgt „zu simplifizieren, zu polarisieren, Risiken zu unterschätzen und nicht genügend zu reflektieren“ wie das angelsächsische „First-Past-The-Post“-Prinzip, bei dem der Gewinner die volle Machtfülle erhält. Dringenden Handlungsbedarf sieht er allerdings noch bei der Binnenmarkstrategie, bei der Strategie für Energie- und Ressourcensicherheit, bei Geschäftsmodellen für grünes Wachstum, bei einer Insolvenzordnung für europäische Staaten sowie durch das Fehlen eines europäischen Währungsfonds und einer europäischen Rating-Agentur.

 

Prof. Schwenkers Plädoyer für Europa hebt sich wohltuend ab von den vielen europakritischen Schriften. Denn bei aller – zum Teil auch berechtigter – Kritik geraten die Fortschritte vielleicht manchmal in Vergessenheit. Das Plädoyer hat sicherlich auch damit zu tun, dass Roland Berger sich nach der Krise strategisch neu positioniert als „die einzige europäische Strategieberatung, die weltweit eine Rolle spielt“. Aber die Analysen und Empfehlungen von Prof. Schwenker gehen in die richtige Richtung. Kurzfristiges Wirtschaften / Shareholder Value-Ansatz wurde z.B. auch in der diesjährigen Studie zum DABEI-Innovationsklima-Index als Haupt-Innovationswiderstand identifiziert. Zudem ist sein Buch wirklich gut geschrieben und lässt sich mit einem Umfang von etwa 150 Seiten „bequem auf einem Mittelstreckenflug“ lesen. Von daher nicht nur für Unternehmer, sondern vor allem auch für vielbeschäftigte (Europa-)Politiker zu empfehlen.

 

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