Bei meinen Recherchen zum DABEI-Innovationsklima-Index 2011 habe ich verschiedene Studien aus dem Jahr 2010 zum Thema Innovation ausgewertet. Alle Studien – egal ob von Beratungsunternehmen oder von Forschungseinrichtungen und Vereinen – kommen zu dem Ergebnis, dass Innovationen von hoher Bedeutung für das Wachstum und langfristige Überleben von Unternehmen und Gesellschaften sind. Trotz dieser (Lippen-)Bekenntnisse ist der Umgang mit Kreativität aber höchst fragwürdig, und Kreative und Querdenker sind nicht besonders hoch angesehen. Dies veranschaulichen folgende Studien:
Die IQudo-Studie Ideenfindung aus dem Jahr 2010 kommt zu dem ernüchternden Ergebnis: „93,6% der befragten Personen haben ihre besten Ideen nicht am Arbeitsplatz. Sie sind gestresst, abgelenkt und/oder ihre Kreativität wird von der Unternehmensführung nicht erwünscht oder gar unterdrückt.“ Dass viele Arbeitnehmer ihre besten Ideen nicht am Arbeitsplatz haben, hat man ja bereits befürchtet. Auch dass man am Arbeitsplatz oft zu gestresst und abgelenkt für das kreative Arbeiten ist, ist keine Neuigkeit. Aber dass 14,2 % der Befragten angeben, dass neue Ideen an ihrem Arbeitsplatz unerwünscht seien, gibt dem Ganzen noch eine besondere Note.
Wie es um das Thema Kreativität im Unternehmen insgesamt bestellt ist, beschreibt Jens-Uwe Meyer von den Ideeologen in der demnächst erscheinenden Studie „Erfolgsfaktor Innovationskultur“, deren Ergebnisse mir vorab in Auszügen vorliegen und auch im Beitrag „Kreativität nach Vorschrift“ für den Harvard Business Manager vorveröffentlicht wurden. Darin kommt er zu folgenden drei Kernaussagen:
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Kreativität nach Vorschrift
Für 64 % der Unternehmen sind Regeln wichtiger als Ergebnisse. D.h. die Unternehmen setzen auf Innovationsprozesse mit klaren Regeln, aber wenigen (kreativen) Freiräumen. Lediglich in 28 % der teilnehmenden Unternehmen sind Kreativität und kreatives Denken hoch angesehen. -
Wunsch nach Innovation mit Vollkasko-Schutz dominiert
Lediglich bei 15 % der Unternehmen werden auch schlechte Ideen akzeptiert. Über 80 % der Unternehmen sichern sich durch Studien und Analysen ab, ohne aktiv Experimente zu fördern. Meyers Fazit: „Paralyse durch Analyse.“ -
Neue Wege gehen – solange sie genau so sind wie die alten
Nur in 32 % der Unternehmen werden Ideen positiv aufgenommen. Und lediglich etwa 25 % der Unternehmen verfolgt aktiv radikale Innovationen.
Lediglich knapp 21 % der Unternehmen sind daher nach Meyer „proaktive Innovatoren“. Dies spiegelt sich dann natürlich auch im Umgang mit Kreativen wider: „Echte Querdenker einzustellen, das trauen sich nur 24 Prozent.“
Somit steht zwar Kreativität einigermaßen hoch im Kurs (auch wenn es bei der Umsetzung stark hapert), Kreative und Querdenker hingegen weniger. So kommt eine IQudo-Umfrage über Querdenker aus dem Jahr 2011 zu dem Ergebnis: „Querdenker werden als störend und anstrengend empfunden.“ Auf die Frage „Welche Charaktereigenschaften verbinden Sie mit einem Querdenker?“ halten sich positive und negative Eigenschaften die Waage. Auf der Positiv-Seite stehen die Top3 „kreativ, individuell, neugierig“ den Top 3 auf der Negativ-Seite „schwierig, unangepasst, unzuverlässig“ gegenüber.
Was das Thema Kreativität angeht, herrscht in einigen Unternehmen wohl – um die kürzlich gehörte Phrase eines Kabarettisten zu verwenden – „mehr Vorstand als Verstand“. Oder ist es im Gegenteil ein Zuviel an Verstand – Stichwort „Kreativität nach Vorschrift“ -, das den „vernünftigen“ Umgang mit Kreativität verhindert? Ich frage mich wirklich, wie es Unternehmen schaffen können, dass Kreativität vom Störfaktor zum Erfolgsfaktor wird. Was meinen Sie dazu?
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