Im Rahmen meiner Tätigkeit für DABEI e.V. und insbesondere bei der Erhebung des DABEI-Innovationsklima-Indexes habe ich zahlreiche Gespräche mit Erfindern und Unternehmern führen dürfen. Ich habe auf Messen und Kongressen sowie in den Diskussionsrunden meiner Vorträge immer wieder das Thema „Was kennzeichnet erfolgreiche Innovationen?“ mit Menschen unterschiedlichster Herkunft und Branchen diskutiert.
In meinen zahlreichen Gesprächen und Diskussionen bin ich auf drei wesentliche Merkmale erfolgreicher Innovationen gestoßen. Ich behaupte nicht, dass dies die einzigen Merkmale sind, die eine Idee erfolgreich machen, oder dass diese Merkmale hinreichend für den Erfolg einer Idee sind. Dazu haben nicht zuletzt die in meiner Studie zum DABEI-Innovationsklima-Index ermittelten externen Innovationswiderstände einen viel zu hohen Einfluss. Ich glaube aber, dass diese Merkmale eine notwendige Voraussetzung sind, mit der sich Erfinder und Unternehmer ihre Innovationsaktivitäten wesentlich erleichtern können.
Die drei Erfolgsmerkmale speisen sich aus den folgenden Erkenntnissen, die in unseren Gesprächen und Diskussionen ein ums andere Mal aufgetaucht sind und die sich auch im Diffusionsmodell nach Everett M. Rogers wiederfinden:
- Eine gute Idee bringt ihr Potenzial auf den Punkt.
- Ein Prototyp sagt mehr als tausend Worte.
- Der Weg vom Prototyp zum fertigen Produkt ist lang.
Diese Erkenntnisse werden auch von den Positivbeispielen in der aktuellen Studie zum DABEI-Innovationsklima-Index 2012 bestätigt.
Aus diesen drei Erkenntnissen habe ich die folgenden Empfehlungen für erfolgreiches Innovieren abgeleitet.
Make your idea sticky
Hollywood-Filmstudios müssen riskante Entscheidungen treffen. Sie investieren hunderte Million Dollars in eine immaterielle Film-Idee. Wie werden in Hollywood Ideen „verkauft“? Über „High-concept pitches“: Die Handlung des Films wird zu einem möglichst aussagekräftigen Satz verdichtet, der die Kernidee des Films wiedergibt. Der Film Speed wurde beispielsweise als „Stirb Langsam in einem Bus“ und der Film Alien als „Der Weiße Hai in einem Raumschiff“ verkauft. Diese Beispiele stammen aus dem Buch „Made to Stick“, das beschreibt, wie man Ideen „sticky“ macht, sodass sie beim Adressaten hängen bleiben.
Was in Hollywood die „High-concept pitches“ sind, ist im Innovationsprozess der so genannte „Elevator Pitch“. Sie haben genau die Zeit einer Aufzugfahrt, um Ihren Vorstandsvorsitzenden / Venture Capital-Geber / potenziellen Kooperationspartner etc. von Ihrer Idee zu überzeugen. Wie gehen Sie das an? Dazu müssen Sie den Kern Ihrer Idee so herausarbeiten, dass er beim Adressaten in kürzester Zeit hängen bleibt.
Die Ausformulierung Ihrer Idee sollte auf den Kundennutzen, nicht auf technische Features fokussieren. Sie zeigen damit potenziellen Kunden: „What´s in it for you“ (WIIFY-Faktor). Außerdem sollten Sie Ihren Adressaten emotional ansprechen. So bleibt Ihre Idee länger haften. Schließlich sollte Ihre Idee möglichst kompakt dargestellt werden. Denken Sie daran: Eine Botschaft bleibt hängen, drei Botschaften nicht.
Gemäß dem oben erwähnten Diffsusionsmodell nach Rogers stellen Sie so den relativen Vorteil ihrer Idee heraus. Und Sie zeigen, dass Ihre Idee einfach zu verstehen – und daher wahrscheinlich auch einfach anzuwenden – ist. Mit anderen Worten: Sie bringen das Potenzial, das in Ihrer Idee steckt, auf den Punkt.
Kernfragen zu „Make your idea sticky“:
- Was ist der wesentliche Kundennutzen Ihrer neuen Idee – unabhängig von allen technologischen Neuerungen?
- Wie können Sie Ihre Idee in max. 5 Minuten erklären (Elevator Pitch)?
- Wie können Sie Ihre Botschaft griffig in ein Sprichwort verpacken oder in Twitter-Länge (140 Zeichen) beschreiben?
- Welche Veränderungen ergeben sich aus dem Fokus Kundennutzen für Ihre neue Idee?
- Welche Funktionen könnten Sie bei Ihrer neuen Idee möglicherweise weglassen?
Prototype or perish
Wenn Sie in die Google-Bildersuche die beiden Begriffe „Prototyp“ und „Computermaus“ eingeben, stoßen Sie auf Fotos, die einen Holzklotz mit einem Knopf und einem Kabel zeigen. So unspektakulär sah die erste Computermaus aus, die der Entwickler Douglas Engelbart 1968 zum ersten Mal auf einer Messe in San Francisco der Öffentlichkeit vorstellte. Doch trotzdem erfüllte sie ihren Zweck: Sie machte die Idee einer grafischen Benutzereingabe zum ersten Mal erlebbar und erprobbar – zwei wesentliche Kriterien im oben erwähnten Diffusionsmodell nach Rogers. Man könnte auch das Motto „Publish or perish“ aus der universitären Forschung auf den Innovationsprozess übertragen und sagen: „Prototype or perish.“
Der Begriff „Prototyp“ stammt aus der Fertigungsindustrie und beschreibt dort ein vereinfachtes Modell eines späteren Serienproduktes, das zu Versuchszwecken hergestellt wird. Er lässt sich allerdings auch auf andere Bereiche übertragen. So betonen Osterwalder und Pigneur in ihrem Buch „Business Model Generation“ die Bedeutung von Prototypen in Form von Business Cases und Field-Tests bei der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen: „Prototyping […] makes abstract concepts tangible and facilitates the exploration of new ideas.“
Mit einem Prototyp senden Sie potenziellen Kunden und Herstellern zwei Botschaften. Zum einen sagen Sie ihnen: „Schaut her! Es ist machbar! Man muss es nur angehen.“ Und zum anderen geben Sie ihnen die Möglichkeit, Ihre Idee auszuprobieren: „Try before you buy.“ Der Management-Guru Tom Peters schreibt über Prototypen in seinem Buch „Re-Imagine!“: „Ein Prototyp verstärkt die Aussagekraft Ihrer Erfolgsgeschichte. Er macht aus verrückten Träumern rechtschaffene Praktiker.“ Im Innovationsprozess sagt ein Prototyp mehr als tausend Worte.
Kernfragen zu „Prototype or perish“:
- Wen wollen Sie über einen Prototyp ansprechen (potenzielle Kunden, Hersteller, Vertriebspartner, … etc.)?
- Wie können Sie Ihre Idee möglichst einfach in einen Prototyp überführen?
- Können Sie Ihre neue Produktidee in kleinerem Maßstab, aus anderem Material, mit geringerem Funktionsumfang, … etc. realisieren?
- Können Sie Ihre neue Dienstleistungsidee in kleinerem Umfang, für ausgewählte Kunden, mit technischer Unterstützung (z.B. Internet), … etc. probeweise anbieten?
- Welche Partner brauchen Sie bei der Realisierung eines Prototyps?
Adopt, adapt, improve
In Militärkreisen heißt es: „No plan survives contact with the enemy.“ Daher gibt es beim Militär das Konzept des “Commander´s Intent“, das das Ziel der Militäroperation vorgibt. Dadurch haben die Einheiten die Möglichkeiten, flexibel auf sich verändernde Umstände im Gefecht zu reagieren. In Analogie könnte man für den Innovationsprozess sagen: “No new idea survives contact with the customer.” Der Innovationsprozess verlangt, dass man in der Umsetzung flexibel agiert und nicht zu verliebt in die eigenen Pläne ist. Ihr „Commander´s Intent“ ist dabei der unter „Make your idea sticky“ erarbeitete Kern Ihrer neuen Idee. Daher gilt für erfolgreiche Innovatoren das Motto des Round Table: Adopt, adapt, improve – Bestehendes aufnehmen, an die eigene Situation anpassen und die neue Idee dadurch verbessern.
Auf diese Weise machen Sie – nach dem oben erwähnten Diffusionsmodel von Rogers – Ihre Idee kompatibel mit den Werten und Vorstellungen, mit den vorherrschenden Ideen und Erfahrungen sowie mit den Bedürfnissen der Kunden. Dabei empfiehlt es sich, nicht nur die Endanwender im Blick zu haben, sondern auch Ihre direkten Kunden: die Unternehmen, die Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung umsetzen sollen. Denn keine Firma der Welt wird sofort eine große Investition in ein neues, mit hoher Unsicherheit behaftetes Vorhaben stecken. Ganz im Gegenteil – die Innovation muss möglichst mit bestehendem Equipment realisierbar sein.
Da der Innovator mit seiner neuen Idee ein hohes Risiko eingeht, bietet sich für ihn die Methode des Effectuation an: Gehen Sie von den vorhandenen Mittel aus (Mittelorientierung) und nutzen Sie die sich ergebenden Umstände und Zufälle gezielt aus. Handeln Sie dabei immer nach dem Prinzip des leistbaren Verlustes und setzen Sie nicht alles auf eine Karte. Gehen Sie wo notwendig Vereinbarungen und Partnerschaften ein. Niemand kann bei einer Innovation alles alleine leisten. Michael Faschingbauer schreibt in seinem Buch „Effectuation“: „Effectuators steuern die Zukunft, indem sie Unerwartetes in Innovatives und Nützliches verwandeln.“ Denn der Weg vom Prototyp zum fertigen Produkt ist lang und mit vielen Unwägbarkeiten gepflastert.
Kernfragen zu „Adapt, adopt, improve“:
- Wie können Sie die Nutzerfreundlichkeit (Useability) Ihres Prototyps verbessern?
- Wie können Sie Fertigungs- und Montagegerechtheit Ihres Prototyps verbessern?
- Welche Partner brauchen Sie für Finanzierung, Erstellung und Vertrieb Ihrer neuen Produkt- oder Dienstleistungsidee?
- Mit welchen vorhandenen Fertigungsverfahren könnte Ihr neues Produkt realisiert werden und wie müssten Sie Ihr Produkt dann verändern?
- Mit welchen vorhandenen Methoden und Technologien könnte Ihre neue Dienstleistung angeboten werden und wie müssten Sie Ihre Dienstleistung dann anpassen?
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